Im Herzen des zentralen Hochlands im Südwesten Sri Lankas hebt sich ein Berg von den anderen ab: der Adam’s Peak. Ein göttliches Wesen soll auf seinem Gipfel gegangen sein und eine unauslöschliche Spur hinterlassen haben. Der Aufstieg zur bedeutendsten Pilgerstätte des Landes ist ebenso spektakulär wie spirituell.

Land der Legenden

Der Adam’s Peak – oder Adamspik auf Deutsch – erhebt sich mit seinen 2243 Metern Höhe im Zentralmassiv Sri Lankas. Auch wenn der Blick von seinem Gipfel auf die umliegenden, von Nebel bedeckten Berge atemberaubend ist, so ist er nicht der Grund für die Berühmtheit dieses Riesen. Seit Jahrhunderten ranken sich zahlreiche Legenden um einen riesigen Fußabdruck im Felsen auf dem Gipfel...

Für die Buddhisten hat Buddha bei seinem dritten Besuch in Sri Lanka hier seine Spur hinterlassen. Die Hindus sehen in dem Abdruck den Fuß Shivas. Und für die Moslems war es Adam, der hier seinen ersten Schritt auf der Erde gemacht hat, nachdem er aus dem Paradies verjagt worden war. Er soll auf einem Bein gestanden haben, um sich von seinen Sünden reinzuwaschen, und dabei seine Spur auf dem Adam‘s Peak hinterlassen haben. Die portugiesischen Kolonisten versuchten später, diese Sage mit der Behauptung, es sei der Fußabdruck des Heiligen Thomas, zu „christianisieren“. Heute treffen Pilger all dieser Konfessionen auf dem Gipfel des Adam‘s Peak aufeinander, um zu beten und Andacht zu halten: ein auf der Welt einmaliges Beispiel für Toleranz!

Treffpunkt bei Sonnenaufgang auf dem Gipfel

Auch wenn der Aufstieg auf den Gipfel des Adam's Peak nicht besonders technisch ist, so erfordert er doch ein Mindestmaß an Ausdauer und Sportlichkeit. Der Wecker schellt mitten in der Nacht und verscheucht mit einem Mal alle Traumschleier. Nach einem einstündigen Fußmarsch im Licht der Taschenlampen stoßen die Wanderer an der Bergflanke auf eine schwindelerregende Treppe mit 5500 Stufen, die immer steiler und ungleichmäßiger wird, je näher man dem Gipfel kommt. Durch die Anstrengung spüren die Bergsteiger die kalten Windböen beim Aufstieg nicht. Kleine Kioske verkaufen Snacks und Getränke, damit sie sich unterwegs stärken können.

Erst nach sieben Kilometern und 1200 Metern Höhenunterschied (zwischen zwei und vier Stunden Marschzeit, je nach körperlicher Verfassung) taucht endlich die Spitze des Adam‘s Peak auf. Das Dunkel der Nacht weicht nach und nach dem ersten Tageslicht, während die Sonne über den Horizont steigt und sich ein fast unwirkliches Panorama vor den Augen der Wanderer entfaltet, in dem sich Berge, Wälder, Seen und Nebel vermischen. Im Westen erstreckt sich der perfekt dreieckige Schatten des Adam‘s Peak scheinbar endlos über die sri-lankischen Landschaften …

Wenn der Dezember-Vollmond kommt …

Die Vollmondtage sind in Sri Lanka Feiertage und werden „Poya-Tage“ genannt. Jeder von ihnen entspricht einem im Buddhismus wichtigen Ereignis. Jeden Monat werden zu diesem Anlass große Feierlichkeiten organisiert. Weil der Adam‘s Peak aber während der Regenzeit in dichten Nebel getaucht ist, warten die Pilger ungeduldig auf schöneres Wetter, um ihren heiligen Berg zu erklimmen. Der Poya-Tag im Dezember kündigt den Beginn der Feierlichkeiten an und die Besucher kommen bis zum Vollmond im Mai, Vesak Poya, in Scharen zum Adam‘s Peak.

Vesak Poya ist eines der bedeutendsten Feste des Landes, an dem die Geburt, die Erleuchtung und der Tod Buddhas gefeiert werden. An diesem Tag pilgern die Sri-Lanker aller Altersklassen zu Zehntausenden zum Adam‘s Peak, um Andacht zu halten. Gesänge, Flöten und Trommeln begleiten den Aufstieg, während eine Glocke jedes Mal läutet, wenn jemand den Gipfel erreicht. Inmitten der Menschenmenge werden der ansteckende Glaube und die Solidarität der Pilger spürbar, die aus der Wanderung eine unvergessliche menschliche Erfahrung machen. Achtung, unter diesen Bedingungen kann der Aufstieg auf den Gipfel des Adam‘s Peak bis zu elf Stunden dauern!